Heufieber
Svilar fühlte sich plötzlich gefaßter. Das Kind bekommt, wenn es die Schlange verzehrt, durchsichtige Lider und sieht in der Nacht. Jetzt sah auch er in der Nacht. Und er betrachtete, was er sah.
Unter den Donnerschlägen des Gewitters wurden die Äpfel wurmstichig, vor dem Regen lockte sich den Hunden das Haar, mit Wolken überzog sich der Himmel, der Ibar toste schwarz vom Pflügen, und man vermochte nicht zu erkennen, wohin er floss. Feuchte lag in der Luft und Svilar schöpfte Atem. Das Heufieber gab nach, als lasse es ab von der Belagerung, als habe seine Anwesenheit plötzlich den Sinn verloren. Aus den Bäckereien verbreitete sich der Duft nach Brot, gebacken auf Kohlblättern. Und Svilar nahm zum ersten Mal nach langen Jahren diesen Duft wahr, so wie er fühlte, dass ihn seine alte Anverwandte, die Krankheit, verließ. Das Heufieber verwschwand für immer aus seinem Leben. Es gab nichts mehr, wovor es ihn schützen konnte. Und er war ihm dankbar beim Abschied, dass es ihn wenigstens bis jetzt, all diese langen Jahre seines Lebens, vor der Wahrheit verschont hatte wie vor dem Finger im Auge. Nasenflügel und Ohren öffneten sich wie ein Paar zweiter Augen, und er atmete endlich den Duft des eigenen Körpers ein, der irgendwoher über das Meer gekommen war, einen unbekannten, fast fremden Duft, den Duft seines "griechischen" Schweißes. Er begann die Dinge so klar zu sehen, als sehe er sie durch die Tränen auf seinen Wangen und nicht mit den Augen.
[Aus "Landschaft in Tee gemalt" - Milorad Pavic]
Näheres zu Pavic >>> hier

Texte
Unter den Donnerschlägen des Gewitters wurden die Äpfel wurmstichig, vor dem Regen lockte sich den Hunden das Haar, mit Wolken überzog sich der Himmel, der Ibar toste schwarz vom Pflügen, und man vermochte nicht zu erkennen, wohin er floss. Feuchte lag in der Luft und Svilar schöpfte Atem. Das Heufieber gab nach, als lasse es ab von der Belagerung, als habe seine Anwesenheit plötzlich den Sinn verloren. Aus den Bäckereien verbreitete sich der Duft nach Brot, gebacken auf Kohlblättern. Und Svilar nahm zum ersten Mal nach langen Jahren diesen Duft wahr, so wie er fühlte, dass ihn seine alte Anverwandte, die Krankheit, verließ. Das Heufieber verwschwand für immer aus seinem Leben. Es gab nichts mehr, wovor es ihn schützen konnte. Und er war ihm dankbar beim Abschied, dass es ihn wenigstens bis jetzt, all diese langen Jahre seines Lebens, vor der Wahrheit verschont hatte wie vor dem Finger im Auge. Nasenflügel und Ohren öffneten sich wie ein Paar zweiter Augen, und er atmete endlich den Duft des eigenen Körpers ein, der irgendwoher über das Meer gekommen war, einen unbekannten, fast fremden Duft, den Duft seines "griechischen" Schweißes. Er begann die Dinge so klar zu sehen, als sehe er sie durch die Tränen auf seinen Wangen und nicht mit den Augen.
[Aus "Landschaft in Tee gemalt" - Milorad Pavic]
Näheres zu Pavic >>> hier

Texte
TheSource - 25. Mär, 07:57