Montag, 10. Oktober 2005

Fluch.

Jeder Stift ein Kritzelfieber
Tastatursucht : nach dem W o r t
Kritzel Kritzel Kritzel
Tse-Tse-Buchstaben
Nicht ablassen können
vom Gedicht


Rubrik: Poems

Samstag, 8. Oktober 2005

Latte Macchiato.


16:42 CET, an einem Freitag

Sie, in der Nachmittagssonne den Schaum auslöffelnd: "Und was machst Du heute noch?"
Er: "Mich ins Bett legen und schlafen".
Sie: "Jetzt schon?"
Er, seufzend: "Ja. Um sechs Uhr aufstehen macht mich fertig", - schiebt die Zuckerdose beiseite. "Und Du?"
Sie: "Heim fahren. Und weinen".


Rubrik: Arbeitsnotate

Freitag, 7. Oktober 2005

Gemmen.

Das Werk der Gnome wurde unter dem beißenden Atem der weltumspannenden Bestie weniger und weniger geschätzt. 1998 betrug der Karatpreis (Brilliant) Qualität Top-Wesselton um die 8000-8500 DM. 2005 lag der "Wert" bei rund 2900 Euro. Ysaj schaute auf das Kleinod unter der Lupe des Juweliers.
Er wußte, was dort vor ihm auf dem blauen Samt lag.
"Irgendwo...." Sie überlegte. Ja, es hatte ein Zertifikat gegeben.... Unmöglich, nachzuhalten, wo es sich jetzt befand.
"Mit Zertifikat erhalten Sie für die Diamanten 1800 Euro", sagte er, legte die Finger um die Solitärfassung, nahm die glatten 18 Karat in Besitz, die Andrea so liebevoll um die Kleinode gelegt hatte. "Ohne.... vielleicht ein Viertel von dem, was Sie damals bezahlt haben. Es bräuchte ein Gutachten... dafür müssen sie aus der Fassung.... da Sie kein Zertifikat haben...". Und du wirst sie für 3600 verscherbeln, dachte Ysaj. Mindestens.
"Ich kann sie aber nur in Kommission nehmen und dann sehen wir, ob sie sich verkaufen lassen". Die Brillianten fauchten unhörbar, als er nach dem zweiten Ohrring griff.
"Dann werde ich sie mal reinigen..." murmelte er, halb abgewandt, seine Stirn schon ein Zahlenrechen.
"Nein". Ysajs Linke streckte sich ruhig vor, die Handfläche nach oben.
"Wie Sie wollen". Der Mann zuckte mit den Schultern und legte die Geschöpfe der Emsigen in ihren Handteller, ließ sie gleichsam aus seinen Klauen. Unter dem profesionell ausgerichteten Licht explodierten Funken auf Ysajs Lebenslinie, die Steine warfen prickelnde Mikrokosmen aus Feuer und Eis über die Haut.

Einige Blocks lief Ysaj ziellos durch die belebten Straßen, dann setzte sie sich auf eine Bank und tauschte die Perlen an den Ohren mit den Brillianten. Goldener Oktober. Sonne, die Straßencafés voll mit Menschen, die bei Latte Macchiato, Pils und Wein den warmen Herbsttag genossen.
"Entschuldigen Sie, können Sie mir vielleicht mit 20 Cent aushelfen?" Ein junger Mann, ein Mittzwanziger mit Baseballkappe und grauer Jacke, beugte sich über sie, schaute auf die Perlen, die grade im Etui verschwanden. "Nein!" knurrte Ysaj und er entferte sich, vom Ausdruck ihrer Augen erschreckt. Sie zündete eine Zigarette an, zählte ihre Kupfermünzen. Eineinhalb Brötchen. Oder ein Hörnchen.
Laut lachte sie auf, die Absurdität der Situation schüttelte ihren Körper, Wellen eines dionysischen Humors, als sie dachte: "Aber 4500 Euro an den Ohren".
Der Wert von d a m a l s.


Rubrik: Ulmenjahr

Eierschalen.

Literarisch für Depression:
Es müde sein, aufzuwachen.


Rubrik: Arbeitsnotate

index

Rasseln.

Er war so sehr Sklave des Zweifels.
Sein Gutdünken ließ er wiegen in Vorzimmern.

Donnerstag, 6. Oktober 2005

Häutungen

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Dienstag, 4. Oktober 2005

...

Während Du schläfst
webe ich Deine Atemzüge
an meinem Ohr
in mein Lied.


Rubrik: Poems

Schnecken


Jolanda besaß zwei Pfeifen. Eine hölzerne, das war ihre, wie sie sagte, öffentliche Pfeife und eine aus Elfenbein, oben geschwärzt und am Bauch speckig geschmirgelt von unzähligen Griffen. Die Merowinger nannte sie diese Pfeife und rauchte sie nur zu bestimmten Gelegenheiten. Obwohl ein bestimmter Rhythmus im Wechsel der Pfeifen vermutet wurde kam niemand dahinter, wonach es sich richtete, dass Jolanda heute die aus seltenem Elfenbein rauchte und an anderen Tagen nicht. Es war auch so ungewöhnlich genug, eine Frau die Pfeife rauchte. Vielleicht gab es auch gar keinen Grund außer einer herzlichen Intimität, die Jolanda mit dem alten Stück verband, so dass sie an ruhigen oder einsamen Abenden lieber daraus rauchte, wenn sie in besinnlicher Stimmung und still war.

Heute aber verengten sich ihre Augen zu zornigen Schlitzen, stumpfe schwarze Kohlen vor einer auflodernden Glut. Sie beugte sich nach vorn, die Pfeife vor sich haltend wie ein Messer:
"Was redest Du da für einen Unsinn?"

"Jolanda, das ist kein Unsinn. Hör mir doch mal zu. Das ist ein reines, ein unbeflecktes Gefühl und ich empfinde das genau so!" erwiderte Ysaj, erschrocken über die Heftigkeit der älteren Frau.
"Ach ja?" Jolandas Gesicht kam noch näher, ein verächtlicher Zug spielte um ihre Mundwinkel und nistete sich dort ein, wurde hineingepresst von Jolandas Zischen: "Ich bleibe dabei, dass es Unsinn ist. Verklärter Unsinn außerdem!"

Ysaj spürte den Zorn an der Nasenwurzel, bohrend. Nüstern. Aufkeimende Tränen. Sie öffnete den Mund zu einer vernichtenden Antwort und schloß ihn sofort wieder. Sie haßte es, wenn Jolanda so war. So alt. So allwissend. So erhaben über alles, verdammt, über alles. Heute war es besonders schlimm. Es war ihr so wichtig gewesen und jetzt d a s; trotzig schwieg sie und starrte dem Qualm zur Decke nach, zündete noch eine Zigarette an und dann noch eine, brennende Stille: Jolanda und ihre Brandzeichen: das schürte ihre Wut, ihren Widerstand, ihre Ohnmacht. "Was Du brauchst ist nicht Nikotin sondern weniger Schrullen in Deinem jungen Kopf", kam es aus dem großen Sessel. Ysaj sprang auf, drückte die Zigarette aus, griff nach ihrer Jacke, den Kopf geduckt wie ein wütender Widder.
Ungerührt setzte Jolanda nach: "Du liebst ihn also so sehr, dass Du sterben könntest für ihn? Das willst Du mir sagen?". Sie war aufgestanden; ihre gemütliche Rundlichkeit war plötzlich wie weggewischt als sie neben Ysaj glitt: "Willst Du mir das sagen?!"
"Ja, genau das will ich damit sagen", kläffte Ysaj zurück. "Und wenn Du nicht so anmaßend wärest würdest Du es verstehen!"

Schallendes Lachen. Es zerrte an Ysajs Zorn und riß genauso abrupt ab, wie es eingesetzt hatte. "Tatsächlich?" Zweimal schlug der Pfeifenkopf gegen den Rand des Aschenbechers bis die Glut hinausfiel. Langsam, sehr langsam stopfte Jolanda die Pfeife, legte sie beiseite unter die Tischlampe am Fenster. "Nun"? Ysaj schwieg.
"Ich will Dir mal sagen, was anmaßend ist, Grünschnabel. Zu sterben, das ist anmaßend! Außerdem: Was hätte irgendwer davon, wenn Du stirbst? Für Dich wäre es vorbei, den Schmerz würden die Menschen tragen, die Dich lieben. Hab den Mut, alt zu werden, Holzkopf!".
"Soll ich ihm etwa das sagen? Dass ich alt werden will? D a s ist Unsinn!"
"Ach, Du willst also wissen, was Du ihm sagen sollst?! Das ist es? Komm mit!"
Sie packte die junge Frau am Ärmel und zog sie mit einer Kraft zur Tür, die ihr Alter vollkommen vergessen ließ. Auf der Veranda drückte sie Ysaj auf die Bank, "warte hier!", und stieg die drei Stufen hinunter in den Regen. Nach einigen Minuten kehrte sie zurück, eine große Schnecke zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand, setzte das beige-braun gemusterte Schneckenhaus mit einer sanften Bewegung auf das Geländer und wartete kurz. Dann, die Schnecke wagte sich grade vorsichtig wieder hervor und streckte sich auf dem nassen Holz , sagte sie:

"Bis die Schnecke am Ende der Brüstung angekommen ist, schreibst Du, was Du ihm wirklich sagen willst. In e i n e m Satz, Buchstabe für Buchstabe, keinen Roman! Und ich meine: Du schreibst so lange, bis sie dort ist. Danach kannst Du zum Tee reinkommen wenn Du willst!"
Mit einem Knall fiel die Tür hinter Jolanda ins Schloß. Ysaj starrte auf die Schnecke, die langsam, unendlich langsam ihre Spur zog. Als sie dann in die Jackentasche griff, rutschte das kleine Notizbuch fast augenblicklich in ihre Hand. Minutenlang aber suchte sie den Bleistift, bis sie ihn in der Hosentasche fand. Die Schnecke schien derweil gar nicht vom Fleck gekommen zu sein. Was sollte das? Ob Jolanda senil wurde? Oder war das nur wieder eine ihrer Schrullen, die im Alter schlimmer wurden? Ein hartes Klopfen gegen das Fenster schreckte sie auf. "Fang an! Das Tier hat nicht ewig Zeit! Einen Satz!" kam es aus dem Haus.
Verstohlen blickte Ysaj über die Schulter, durch das Fenster; die Lampe warf Jolandas Schatten ins Blickfeld und Ysaj hätte schwören können, dass die alte Pfeife eine Schlange war. Oder eine Zunge, Jolandas Zunge, die trotzdem eine Schlange war.



Rubrik Ulmenjahr

Freitag, 30. September 2005

Wahrnehmung. Variation VI



kosi_2xholz_viele_haare03

Hecate arising

"Jasmina-San. Wasch Dein Haar".
"Jetzt?"
"Nicht unbedingt jetzt, aber heute noch".
"Ich habe es aber gestern erst gewaschen".
"Wasch es nochmal. Heute".
"Warum denn?!"
"Es ist Herbstanfang".



Wahrnehmung. Variation V

Die Wirklichkeit auf dem Balkan ist immer ganz anders ist ganz anders ist ganz anders in Wirklichkeit.


(Heute zu ANH im Messenger-Dialog. Discordia)


[Ein wenig wie bei den russischen Holzpuppen, aus jeder springt noch eine und noch eine]

Kontroverse Relativität.


"Unsere Atemzüge sind längst gezählt. Um sie allein feilschen wir".


[Jolanda in Ulmenjahr]

Mittwoch, 28. September 2005

Tomica Bajsić :: In Kreisen


manchmal kommt es mir vor als lebte ich eine geborgte Zeit
meine Freunde tot verstreut über die Friedhöfe
vom Brett gewischt nicht einer griff das Dreissigste
diese Menschen mit denen ich Brot teilte
in gleichen Bunkern schlief durchs gleiche
Gras lief und gleiche Nacht auf Panzer kletterte und fiel
mit dem Gesicht zur Erde gedrückt durch Kugeln und Granaten
(oh süße, stille Erde, die du unsere Gebete kennst)
ihre Geister kommen nun mit letzten Stimmen:
gibt es noch Saft? fragt einer der angreifend sterben wird
pass auf meinen Bruder auf sagt der Zweite den ein Panzer töten wird
der Dritte versucht sich zu erinnern wer er ist und woher er kommt
während sein Gehirn langsam erlischt (in den Kopf getroffen)
was gibt es dort? fragt der Vierte und umfasst sein Glas gewässerten Rotwein
starrt auf die Berge in denen ihn ein Hinterhalt erwartet
und der Fünfte schweigt aber seine Augen können sagen:
Tod.

zuweilen scheint es mir ich habe die Kette zerbrochen
ich erwache in der Nacht ohne Luft durchs
offene Fenster raunen vierzehn Stockwerke
(aus hölzernen Särgen klettert der Geruch brennenden Fleisches)
Christus der Erlöser ist immer eine frische Wunde in schwarzen Wolken
elektrische Glühwürmchen fliegen und verfluchen und feiern
die Zeit als sich Schweine von Menschen ernährten
da ist ein Haus dort unten das war blau vor hundert Jahren
jetzt hat es kein Dach und seine Fenster sind offene Höhlen
innen eine Ruine aber seltsam bei Nacht lebt es auf
vergessene Balkone füllen sich mit Blumen und Licht
runde schwarze Frauen mit Turbanen lehnen sich an
das rostige Geländer und kleine Echos ihres Gespräches
flüstern dass dreihunderttausend Menschen tot auf diesen Feldern liegen
wo meine Stiefel ohne Sohlen blieben
wo meine Augen im Schlamm des Weltalls ertranken und
mein Herz eine eiserne Kette gelöst vom Anker
pfiff durch die Luft in blinden Kreisen:
ohne Ziel, ohne Ziel.



2




U KRUGOVIMA

kojiput mi se čini da živim posuđeno vrijeme
moji prijatelji mrtvi rasuti po grobljima
izbrisani s ploče nijedan nije dohvatio tridesetu
ti ljudi s kojima sam dijelio kruh
spavao u istim bunkerima hodao kroz istu
travu i noć penjao se na tenkovima i padao
licem u zemlju pritisnut mecima i granatama
(o slatka mirna zemlja koja poznaješ naše molitve)
njihovi duhovi sada dolaze u posljednjim glasovima:
ima li još soka? pita jedan koji će poginuti napadajući
čuvaj mi brata kaže drugi koga će ubiti tenk
treći se pokušava sjetiti tko je i odakle dolazi
dok mu se mozak polako gasi (pogođen je u glavu)
što ima tamo? pita četvrti i steže čašu bevande
pogleda uprtog u brda u kojima ga čeka zasjeda
a peti šuti ali njegove oči mogu reći:
smrt.


katkad mi se čini da sam prekinuo lanac
probudim se u noći bez zraka kroz
otvoreni prozor šumi četrnaest katova
(iz drvenih sanduka penje se miris spaljenog mesa)
Krist Iskupitelj je uvijek svježa rana u crnim oblacima
električne krijesnice jurcaju i proklinju i slave
vrijeme kada su se svinje hranile ljudima
ima dolje jedna kuća koja je prije sto godina bila plava
a sada nema krova i prozori su joj otvorene duplje
iznutra je ruševina ali čudno noću oživi
zaboravljeni balkoni pune se cvijećem i svjetlošću
okrugle crnkinje u turbanima naslanjaju se na
zahrđanu ogradu i mali odjeci njihova razgovora
šapuću da je tristo tisuća ljudi mrtvo na onim poljima
gdje su moje čizme ostale bez đonova
gdje su moje oči potonule u blato svemira a
srce mi je kao željezno uže otkinuto od sidra
prozviždalo kroz zrak u slijepim krugovima:
bez cilja, bez cilja.


Übersetzungen

Samstag, 24. September 2005

Winde.



Das Verlorene kennen, bevor es existierte.



trideset_godina

Freitag, 23. September 2005

NZZ: Al- Qaida dans le texte

Die NZZ rezensiert hier:

Gilles Kepel, Jean-Pierre Milelli, Thomas Hegghammer:
Al- Qaida dans le texte. PUF, Paris 2005. 456 S., Euro 24.50.


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