Mittwoch, 6. April 2005

Der Brunnen.

Oder: Die tiefe Angelegenheit.

Der Brunnen.
Wenn Du einen verschütteten Brunnen aushebst oder in der Wüste nach Wasser gräbst ist das ebenso. Du gräbst und gräbst - und alles, was Du zuerst herausbeförderst ist Sand und Erde und Schlick und Schlamm. Am Wegesrand stehen die Zweifler, die Materialisten und die Zyniker, betrachten den Schlamm und kommentieren seine Untrinkbarkeit. Hilfe beim Graben wird zu einer Frage steuerlicher Absetzbarkeit. Wenn das Wasser tief liegt, ziehen die Monate durch Deine abgeschürften Hände.
Dies ist ein Speerstoss.

Die tiefe Angelegenheit.
Steht der Brunnen, tief und gepflegt, so findest Du Dich mit Deinem Eimer wieder, ins Dunkle blickend. Du kannst Dein Gesicht nicht im Wasser des Brunnens sehen, keine Widerspiegelung, Dein Flüstern wird zurückgeworfen und raunt keine Bilder. Das Naß ist kühl, ja: kalt.
Dies ist ein Kelch.

Dennoch gräbst Du.
Dies ist ein Pfeil mit einem Widerhaken. Und eine Fackel. Und ein Stern.



Rubrik: Stigmata

Dienstag, 5. April 2005

Black Scorpion.

Schuld ist kein Naturgesetz.


Rubrik: yellow box

ars moriendi

Tod

Einem Toten das Sterben lehren als ars moriendi //

Es ist so lächerlich: Im Angesicht des Todes werden sie weich, betteln sie um Milde. Auf dem Höhepunkt ihrer Ignoranz lachen sie - werden sie mit Existenz konfrontiert, zählen sie die Münzen in ihren Beuteln. Kein Mitleid. Sie haben ihr ganzes Leben mit der Materialität argumentiert. Sie sollen sie am Ende bekommen



[Via: Zentrum für Archivpoetik. Ärgerlich, dass man sich bei antiville nicht anmelden und somit nicht kommentieren kann]

Montag, 4. April 2005

Sol II

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Sphinx

Astaroth.

Und von den Gewesenen bleibt Wesen.
Ganz so, als wenn wir lachten. Oder irgendwer die Flöte spielte.
Nein, ich sage Dir das. Nich es oder sie oder er. Die Bleibenden gingen ohne Harfen. Dort war Krieg. Du und Ich oder wir.
Wenn es ein Wir gibt, wird es Geschichte.


Rubrik: Tee mit Choronzon

Asherah.

Wenn Du nur eine Mohnknospe hast für mich, dann lass mich nicht warten. Der Traum wird uns umhüllen morgen schon.


Rubrik: Ulmenjahr

txt 13 (Fragment)

Ysaj floh in die Wildnis und ließ jenen Teil von sich zurück, den sie Jahre später unter Ulmenblättern wiederfinden sollte, erschöpft, zerrissen und verwundet. Sie hockte allmorgendlich auf dem gelben Berg und versuchte zu begreifen, warum die Ebenen ihr mehr und mehr abstossend wurden. Hier, in der Wüste, gab es keine Hyänen. Und mit der Abwesenheit der Hyänen verschwand allmählich auch ihre Verachtung, kauerte sich zusammen, schrumpfte, versteinerte zu einem Monument wie Ysaj selbst. Der Tod allein umschlich sie wie ein Schakal und sie schlug wütend nach ihm, wann immer sie seine Nähe erahnte. Ysaj lag in Fehde mit dem Tod und ließ es ihn spüren, denn er war das Vergängliche und Ysaj suchte das Beständige, welches der Tod immer anzunagen suchte mit adamantenen Hauern seiner Verbündeten, der Zeit. Seine beständige Lauer erregte ihren Zorn, seine Präsenz erwürgte die Unvergänglichkeit; nichts, worauf zu bauen war außer Sand und Staub und Mehl. Man kann auf sehr verschiedene Arten kämpfen; Ysaj beschloss, dass die effektivste Art immer die homöophathische sei und begann, den Tod in sich anzuhäufen, ihn einzusaugen wie Muttermilch und zu sammeln in jedem Atemzug. Alle Masken die sie später formte, die bunte Kleidung und die unzähligen Perrücken, jede Attrappe für die Ebenen war ein neues Regiment, das sie gegen den Tod führte. Sie besaß Kleiderschräke voll dieser Munition, Regale gefüllt mit Düften und Farben, Schubladen voll Wäsche aus Nichts. Die Spielzeuge Aphrodites lagen überall herum, verstreut mit den Büchern Athenes.
An einem klaren Morgen Anfang der Siebziger schlenderte Ysaj auf dem Spielplatz im Park herum und blickte zum Himmel, kindlich, übermütig, fröhlich. Stolperte über einen Ast und fiel. Da war ihre Fehde erneuert worden, ohne dass es Ysaj begriffen hätte. Jahre später, inmitten der Wüste, die das Leben aufhob und verbrannte, begriff Ysaj, plötzlich den Sturz im Park vor Augen. Sie beschloss, sich ein Tor zum Himmel zu bauen aus den Knochen des Schakals. Ysaj erklärte dem Tod den Krieg. Sie, die vom Leben rein gar nichts wusste.


Rubrik: Ulmenjahr

Sonntag, 3. April 2005

Schildkrötenpochen.

Atanas aber dachte nicht so wie ich. Er fühlte, wann immer er abends ein wenig Dunkelheit atmete, dass er sich für zehn Sekunden in seinen Vater verwandelte. Und er wollte wissen, wie er sich für diese zehn Sekunden täglich nannte. Er sagte immer zu mir: "Bisher habe ich ihn nicht gebraucht. Bisher war er nicht mein Lehrer. Jetzt ist er es". Und so nahm er anstelle des Namens Svilar, unter dem er die Schule beendet hatte, den Namen Fjodor Akeksejewitsch Razins an und trägt ihn noch heute. Und erst jetzt hatte er die Kraft gesammelt, sich Vitača wieder zu nähern. Jetzt nahm er sie mit in die Welt und dort haben sie auch geheiratet. Das Verhältnis Vitačas zu Atanas hat sich mir niemals völlig erklärt. Vida, ihre Schwester, bewahrte ein paar Briefe auf, aus denen hervorgeht, dass sich Vitača, milde ausgedrückt, seltsam gegenüber ihrem zweiten Ehemann, meinem Sohn, verhielt. Das, was man die große Liebe nennt und was nach all dem zu urteilen auch ihnen widerfuhr, ist nichts, was zu gleichen Teilen unter den Beteiligten aufgeteilt wäre, vielmehr ist es so, dass der eine einseift und der andere rasiert. Wenn Sie nicht begreifen, was ich meine, werde ich Ihnen eine altbekannte Geschichte zu diesem Thema erzählen:

Ein Pfaffe beschwor sein Weib, niemals ohne ihn zu essen, anderenfalls werde sie sich in einen Wolf verwandeln. Da nun beschwor sie ihn, niemals ohne sie zu trinken, anderenfalls werde er sich in eine Ziege verwandeln. Als eine Spanne Zeit vergangen war, lugte sie in des Mannes Abwesenheit in sein stummes Buch. Beim Lesen vergaß sie sich, aß ein Blatt Kohl und verwandelte sich in einen Wolf. Als er nach Hause kam, lief der Pfaffe einem wilden Tier in die Arme. Natürlich ahnte er nicht, dass es seine Frau war. Sobald man sich erblickte, begann der Kampf, und es gelang dem Mann, den Wolf mit den Zähnen beim Ohr zu packen. Er faßte immer heftiger zu, bis Blut floß. Kaum aber hatte er ein wenig von dem Blut getrunken, verwandelte sich der Mann in eine Ziege, die der Wolf zerriß.

Das ist Gleichheit. Der Stärkere wird stets zum Schwächeren.

So geschah es auch Atanas in seiner Ehe mit Vitača. Eine Stelle aus einem Brief Vitača Miluts an Atanas mag hierzu als Beweis dienen:
"Irgendwo an einer Küste der südlichen Meere, wo die Sterne am Weitesten von ihren Bildern entfernt sind, verspeisten die Reisenden eines Schiffes eine riesige Schildkröte. Nach fünfhundert Jahren fand ihren Panzer am selben Ufer ein Seemann, der sich in ihm verbarg, die Nacht zu verbringen. Am Morgen streckte er ausgeschlafen und fröhlich seine Arme durch die Öffnungen des Panzers und ließ sich in diesem Spiel mit sich selbst ins Wasser gleiten. Der Schildkrötenpanzer klang nach einem halben Jahrtausend erneut vom Schlag eines Herzens wider und verstand wieder zu schwimmen.
So klingt dein Herz in mir wider".



[Milorad Pavić: "Landschaft in Tee gemalt"]


Rubrik: Texte

Ouranous II

Das ist der Preis des Himmels, des Unvergänglichen, dass er sich nicht um Existentielles schert. Das ist Ouranous, der Grausame, welcher der Unendlichkeit das Irdische opfert. Prometheus, der Titan, ist sein Aga.


Rubrik: Arbeitsnotate

Samstag, 2. April 2005

Buchstabensuppe (txt 20/Fragment)

"Ich meine wenn Du gehst oder stehst oder sitzt oder liegst: Der Tod läuft rechts neben Dir; steht, sitzt, liegt vielleicht. Und links läuft das Leben, steht, sitzt, liegt, breitet sich aus. In einem Buchstaben. Oder einer Landschaft, zerfließt vor Deinen Augen mit jedem verstreichenden Jahr. Wir sind gezäumte Pferde und der Zaum ist auch Tod. Unsere ganze Illusion Freiheit besteht aus acht Buchstaben, wird zum Ärgernis, bis wir irgendwann zu müde sind und auch der Mißmut verschwindet wie der Kalk aus unseren Knochen. Mich interessieren nur noch zwei Dinge: Das Jetzt mit seinem Sekundenglück, der Wärme einer Hand auf meiner Wange oder einer stillen Minute ohne Hast - und was bleiben wird, wenn mein Name Buchstaben auf einem Grabstein ist".



Rubrik: Ulmenjahr

Freitag, 1. April 2005

TmC 38

Wirst Du endlich schweigen, Mutter der verlorenen Worte?
Die Schwelle ist tränenbedeckt von Deinem Jammer.
Sage ichs?
Oh ja - ich bin es müde.
Diese Welt.
Du da aber, die sich in mir fürchtet.
Du hälst mich in ihr.


Rubrik: TmC

Sol

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[Den Tag beginnen lernen von der Löwin]

Donnerstag, 31. März 2005

Demiurgenkritik (Delta)

Aus der Niederschrift Liliths, Eschen:

Henoch machte sich auf nach dem Garten, durch die Wüste und an den Behausungen Adams und seiner Kinder vorbei, die nie außer Sichtweite der Mauern Edens gingen.
Am Eingang angekommen blickte der Seraph auf Henoch herab und fragte: "Wer bist du, der du diesen verbotenen Zugang verlangst? Weiche von der Schwelle, denn ich werde dein Leben mit Feuer auslöschen, so du deinen Fuß auf sie setzest".
Henoch erwiderte: "Ich bin Henoch, Sohn des Kain, und Er setzte meiner Sippe Stirn das Zeichen, auf dass niemand uns anrühre".
Da erblickte der Engel das Mal auf Henochs Stirn und wagte nicht, die Hand zu heben gegen den von Ihm Gezeichneten. Henoch betrat Eden und aß vom Baume des Lebens in der Abenddämmerung. Die Kerne der Frucht warf er unter die Eschen.


[Prometheus I: The Lilith Files by Source. 2005]

Maia

Den Tod meiden ist: Das Leben verschmähen.


[Und wieder der Königsskropion.
edit: (Kurzbeschreibung aus einem Messenger-Dialog) Königsskorpion, Synonym für: Binah, Verstehen, erste Sephira über dam Abyssos, Maia (die See, wird zu Maria mit dem Solaren R im Leib); der Ehefrauenkuss, die Konsequenz des Irdischen in ihrer metaphysichen Bedeutung = Tod]

Brotlos.

Taifun: die ganze schreiberei ist brotlos. schauen sie sich herbst an.
Melusine: Wie meinen Sie das bitte?
Taifun: der mann hat einen der renomiertesten literaturpreise gewonnen. und was hat er davon? für apfel und ei am existenzminimum
Melusine: spielen Sie damit auf meine Situation an?
Taifun: auf was sonst
Melusine: was schlagen Sie vor? Dass ich vom Schreiben lasse? Das geht nicht. Das ist der Ausverkauf meiner Seele.
Taifun: wenn sie davon nicht lassen können suchen sie sich einen mäzen


Rubrik: Chatlogs

Mittwoch, 30. März 2005

Sensemann.

Scherben zermalmen
mit der Faust auf dem Tisch
Balkan. Zorn. Blut.
Im Takt der beschissenen befremdlichen Uhr.
Noch so ein Erbstück.


[edit: 30.03.2005 - mit DANK an Anne-Sophie]

[edit: 09.04.2005
Unrund kam es mir vor. Telefonat mit Eigner: Da wurde es rund
Slawisch zu Slawisch. Meinen Dank.]



Rubrik: Poems

Take a look at the dark side.

Florida Department of Corrections setzt das neue Staatsgesetz Floridas um, nachdem Inhaftierte von sich aus keinerlei Erlaubnis und somit Möglichkeit haben, Kontakte außerhalb des Vollzuges zu suchen (Brieffreundschaften etc.). Alle Häftlinge aus Florida sind von der write a prisoner Webpage verschwunden.

Die Zahl der Hinrichtungen in den USA nimmt zu. Spitzenreiter ist der Bundesstaat Texas. Ich schrieb lange Zeit einem Insassen "on Death Row" (Todestrakt) in Indiana. Er ist heute 41 Jahre alt - zum Zeitpunkt seiner Inahftierung war er 17. Seine Todesstrafe wurde vorläufig ausgesetzt und die Hoffnung, dass dem so bleibt, ist ein seidener Faden. Derzeit schreiben wir uns nicht. Die seelischen Kräfte und das Geld gingen mir aus. Sich fühlen wie eine Verräterin - er wiederum konnte nicht mehr trennen zwischen Brieffreundschaft und Hoffnung auf Partnerschaft (wie auch - eingesperrt wie ein Tier seit 24 Jahren). Stille seit Februar. Death Row. The Land of the Free. Kloß im Hals. Beim Aufräumen seine Briefe sortiert. "Yes lady, I am afraid". Der Kloß löst sich nicht.

24 Jahre Todestrakt. Bedeutet: 24 Jahre Einzelhaft. Bedeutet: 24 Jahre totale Isolation. "Till you start writing I haven´t seen an attorney for years. Had my last visit June, 2002. Damn, I am afraid, too".
"Thank you for calling attorney".
"Want a woman like you..."

Florida Department of Corrections hat es öffentlich, look:

death row cell

24 Jahre....
Maximum Control Facility
Death Row.


Nachtrag: Die Ohnmacht ist ein Loa mit vielen Augen - und ohne Stimme.

Dienstag, 29. März 2005

Irgendwo.

Auch noch in Knospen das Stumme.
Leise lächelt sichs durch die innen wartende Blüte.
Wer bist Du, so wandelbar, so stet? Nie war Dein Gesicht mir ein bekanntes; wiewohl ich Dich erblickt in jedem Antlitz, jeder Wolke, jedem Baum.
Auf dem Weg zur Post hielt ich inne, eine Wiedenknospe in der Hand, und konnte nicht lassen von diesem Zweig am Wege, der in so Kleinem alles offenbart, was mir Schwere ist, das Zähe. Regen rann an uns herab; mein nasses Haar ward eine Weide bis zur Hüfte, Monate in jedem Zentimeter; ich wünschte mir Geknospe in ihm und Nester, Laub. Und meinen Füssen Wurzeln, den Scheideweg zu überwachsen, ihn ganz klein wuchern mit Zeh und Haar.


[Keines Menschen Fuß mehr.
Keines.]

(2005)


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